Wahlkampf 2017: Steuergeld auch für SPÖ-Infos?
Ex-Silberstein-Mitarbeiter Peter Puller berichtet von einem Angebot durch Kurz-Berater Gerald Fleischmann. Er habe das Gespräch auf Band.
(Ja, “Die Woche” heißt jetzt “Hintergrund”…)
Hat die ÖVP-Spitze 2017 möglicherweise auch Steuergeld für Wahlkampfinfos aus dem gegnerischen Lager der SPÖ in Aussicht gestellt?
Zur Einordnung die aktuelle Situation: Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und eine Reihe Personen aus seinem engsten Mitarbeiterkreis sind strafrechtlich wegen des Verdachts auf Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit beschuldigt. Für alle genannten Personen gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Bisher in der Sache bekannt: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) verdächtigt eine Reihe Personen, beginnend im Jahr 2016 öffentliche Gelder aus dem Finanzministerium für parteipolitische Ziele zweckentfremdet zu haben – für den Weg von Kurz an die ÖVP-Spitze und später ins Kanzleramt; mutmaßlich für geschönte Umfragen und Berichte in der Tageszeitung „Österreich“, für die es im Gegenzug Inserate gegeben haben soll. Gerald Fleischmann, früher im Außenministerium, später Kabinettschef und Medienbeauftragter im Bundeskanzleramt werden etwa Untreue und Bestechung als Beteiligter vorgeworfen.
Der Redaktion von „Zack Zack“ und „Hintergrund“ liegen jetzt eine anonyme Anzeige sowie ein Gedächtnisprotokoll aus dem Jahr 2017 vor, die neue Fragen aufwerfen.
Es geht um den damaligen Nationalratswahlkampf. Die so titulierte „Silberstein-Affäre“ prägte medial die Wochen vor der Nationalratswahl. Der SPÖ-Wahlkampfberater Tal Silberstein hatte fragwürdige Facebook-Seiten gegen Sebastian Kurz organisiert. Noch bevor die Bombe geplatzt war, soll Kurz-Berater Gerald Fleischmann einem Mitarbeiter von Tal Silberstein Geld für einen politischen Seitenwechsel geboten haben. Fleischmann kennt den mittlerweile von Silberstein engagierten Peter Puller noch aus deren früherer gemeinsamer Zeit im Kommunikationsteam der ÖVP-Bundespartei.
Puller hat seine Erlebnisse im Sommer 2017 in einem ausführlichen Gedächtnisprotokoll notiert, das er seinem Anwalt zur Verfügung stellte:
“Am Wochenende vor dem 17. Juli 2017 kontaktierte mich Gerald Fleischmann telefonisch und ersuchte mich um einen dringenden Termin. Er hätte mit mir potentielle Aufträge zu besprechen. Am Morgen des 17. Juli erschien ich pünktlich um 08:30 im Außenministerium und wurde von einer Mitarbeiterin des Kabinetts beim Empfang abgeholt und in das Büro von Gerald Fleischmann gebracht. Nach kurzem belanglosem Smalltalk meinte Fleischmann, wir sollten ‘die Handies weglegen’. Fleischmann nahm noch einen Block und einen Stift mit von seinem Schreibtisch. Auf diesen schrieb er wörtlich: ‘Wir wissen, dass du für die Sozis arbeitest. Wir bieten dir bis zu 100.000, wenn du wechselst’.”
Soweit der bekannte Teil der Geschichte, wie ihn der Silberstein-Mitarbeiter Peter Puller damals auch gegenüber dem Nachrichtenmagazin „profil“ geschildert hat.
Silberstein wurde Mitte August schließlich in Israel im Zuge einer Geldwäscheaffäre verhaftet und war im österreichischen Wahlkampf aus dem Spiel. Trotzdem wollte Kurz-Berater Gerald Fleischmann Silbersteins österreichischen Mitarbeiter erneut treffen. In seinem Gedächtnisprotokoll hält Peter Puller fest:
“Am 17. August trafen wir uns wie vereinbart im Café Central. Wir saßen dort am letzten Tisch hinten links, gleich neben dem Eingang zur Küche. Vorbereitet vom letzten Mal hatte ich dieses Mal ein zweites Telefon dabei, bei dem ich eine Aufnahme mitlaufen ließ. Fleischmann fragte mich, was eine Beratung im Ausmaß von ein bis zwei Telefonaten wöchentlich bei mir kosten würde und stellte mir Aufträge aus ÖVP-Ministerien in Aussicht. Fleischmann wörtlich: ‘Und du weißt eh: Nach der Wahl haben wir dann wieder einige Ministerien’.”
Wollte Fleischmann von Puller Informationen über das gegnerische politische Lager beschaffen und diese mit Scheinrechnungen aus Ministerien abgelten?
So stellt es eine anonyme Anzeige in den Raum, die „Zack Zack“ und „Hintergrund“ vorliegt. Peter Puller bestätigt auf Nachfrage Echtheit und Inhalt seines Gedächtnisprotokolls und steht zu seinen Schilderungen aus dem Jahr 2017 – er verfüge nach wie vor über jenen Audio-Mitschnitt, der den Gesprächsinhalt jenes zweiten Treffens mit Fleischmann dokumentiere.
Wo ist Gerald Fleischmann?
Auf Nachfrage war Gerald Fleischmann für „Zack Zack“ und „Hintergrund“ nicht erreichbar. Sein Mobiltelefon ist ausgeschaltet, ein Band verweist auf den ebenfalls beurlaubten Kurz-Sprecher Johannes Frischmann. Im Kanzleramt weiß man nicht, wie Fleischmann zu erreichen sei, auch nicht per Email – man möge sich an die ÖVP-Bundespartei wenden. Dort wollte man sich erkundigen, rief aber nicht zurück.